Die Antragsbefugnis der Notarin im Verfahren um ein Europäisches Nachlasszeugnis

Aktuell hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Antragsbefugnis für die Erteilung einer Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) EuErbVO (hier: Antrag einer mit der Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses betrauten Notarin in Polen) zu befassen:

Dem zugrunde lag ein Fall aus Schleswig-Holstein: Am 5.06.2019 verstarb die Erblasserin an ihrem letzten Wohnsitz in S. Das Nachlassgericht erteilte einen Erbschein, der ihre Schwester Margareta L. als Miterbin zu einem Viertel ausweist. Margareta L. verstarb am 9.12.2019 in Polen. Bezüglich der Erbfolge nach ihr wurde von einem ihrer Neffen bei der antragstellenden polnischen Notarin ein Europäisches Nachlasszeugnis beantragt. Die polnische Notarin hat in der Folge beim Nachlassgericht eine Bescheinigung über eine Entscheidung in einer Erbsache nach Art. 66 Abs. 5, Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.07.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses1 (im Folgenden: EuErbVO), Anhang 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014 der Kommission vom 09.12.2014 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der EuErbVO2 (im Folgenden: DurchführungsVO) zum Erbschein nach der Erblasserin beantragt.

Ihr Antrag ist sowohl vor dem Amtsgericht Eutin3 wie auch in der Beschwerdeinstanz vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht4 erfolglos geblieben. Nach Ansicht des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts ist die Beschwerde zulässig, aber nicht begründet. Die Beschwerde richte sich nicht nach §§ 58 ff. FamFG, sondern es handele sich um eine sofortige Beschwerde gemäß §§ 567 ff. ZPO, modifiziert durch §§ 10 f. Internationales Erbrechtsverfahrensgesetz (im Folgenden: IntErbRVG). Die Beschwerde sei in der Sache zurückzuweisen, weil die Notarin nicht antragsberechtigt sei. Sie sei nicht Partei bzw. Notarin des Verfahrens oder deren Vertreter, sondern werde als für die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses zuständige polnische Behörde tätig, welche die beantragte Bescheinigung für die Erfüllung ihrer Amtsgeschäfte benötige. Aus Art. 47 EuErbVO folge, dass die Bescheinigung vom Antragsteller des Anerkennungsverfahrens im Vollstreckungsmitgliedsstaat vorzulegen sei. Das sei jedenfalls nicht das für das dortige Verfahren zuständige Gericht bzw. die dort sonst befugte Stelle. Auch aus dem Recht der Bundesrepublik Deutschland ergebe sich nicht, dass das zuständige Gericht des Vollstreckungsmitgliedsstaates im eigenen Namen die Erteilung der Bescheinigung beantragen dürfe. Aus Art. 66 EuErbVO folge ebenfalls nichts anderes. Ob die beantragte Bescheinigung gemäß Formblatt 1 oder nicht eher nach Formblatt 2 zur DurchführungsVO zu erteilen wäre, könne offenbleiben.

Der Bundesgerichtshof bestätigte nun diese Vorentscheidungen und wies auch die Rechtsbeschwerde der Notarin zurück:

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist aufgrund der Zulassung durch das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht insgesamt statthaft.

Allerdings ist die Rechtsbeschwerde nur eröffnet, wenn zuvor die eingelegte Beschwerde statthaft war. Ist dies nicht der Fall, ist eine gegen die Beschwerdeentscheidung eingelegte Rechtsbeschwerde selbst dann unstatthaft, wenn das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht sie zugelassen hat. War die Beschwerde unstatthaft, fehlt es für das Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht an einer Grundlage. Ein für den Beschwerdeführer vom Gesetz nicht vorgesehener Rechtsmittelzug kann auch durch eine Fehlentscheidung des ersten Rechtsmittelgerichts nicht eröffnet werden. Die Statthaftigkeit der Beschwerde hat das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen5

Im Streitfall ist die Rechtsbeschwerde eröffnet. 

Dahinstehen kann hier, ob gegen die Entscheidung des Amtsgerichts – entsprechend dem mit § 58 Abs. 1 FamFG und § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG übereinstimmenden Wortlaut der Rechtsbehelfsbelehrung im Zurückweisungsbeschluss und dem Verweis auf § 68 FamFG im Nichtabhilfebeschluss – die Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG oder, wie es das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht angenommen hat, die sofortige Beschwerde gemäß §§ 567 ff. ZPO statthaft war. Nach dem sogenannten Grundsatz der Meistbegünstigung dürfen die Prozessparteien dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlässt, keinen Rechtsnachteil erleiden. Ihnen steht deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig wäre6. Der Grundsatz der Meistbegünstigung führt allerdings nicht dazu, dass das Rechtsmittelgericht auf dem vom erstinstanzlichen Gericht eingeschlagenen falschen Weg weitergehen müsste; vielmehr hat das Rechtsmittelgericht das Verfahren so weiter zu betreiben, wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz und des danach gegebenen Rechtsmittels geschehen wäre7.

Hier hat das Amtsgericht den Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) EuErbVO zurückgewiesen unter Hinweis auf das Rechtsmittel der Beschwerde. Im Ergebnis zutreffend hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hiergegen die sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO als statthaft angesehen8.

Entgegen der Ansicht des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts folgte die Statthaftigkeit allerdings nicht aus §§ 10 f. IntErbRVG und einem Verständnis der dort vorgesehenen Beschwerde als sofortige Beschwerde. Für die Anfechtbarkeit der Entscheidung des Amtsgerichts gelten gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 IntErbRVG die Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Erteilung der Vollstreckungsklausel entsprechend. Die Auslegung von § 27 Abs. 2 Satz 3 IntErbRVG ergibt, dass mit diesen Vorschriften nicht die Regelungen zur Beschwerde nach §§ 10 f. IntErbRVG gemeint sind, sondern die über die Anfechtbarkeit der Entscheidung über eine Vollstreckungsklausel gemäß §§ 724 ff. ZPO9, hier also die sofortige Beschwerde gegen die Nichterteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung durch einen Rechtspfleger des Gerichts erster Instanz, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG10.

Zwar ist § 27 IntErbVG ebenso in Abschnitt 3 des IntErbRVG über die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus ausländischen Titeln und die Anerkennungsfeststellung geregelt wie § 10 IntErbRVG. Die Bescheinigung nach § 27 IntErbRVG bezieht sich aber – schon nach dessen amtlicher Überschrift und der Bezeichnung des Unterabschnitts 6 in Abschnitt 3 IntErbRVG mit „Entscheidungen deutscher Gerichte […]“ – anders als die Vollstreckbarerklärung gemäß §§ 3 ff. IntErbRVG auf inländische Titel, wie das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht selbst erkannt hat. Die „Entscheidung über die Erteilung der Vollstreckungsklausel“ bei solchen Titeln bestimmt sich – wie § 27 Abs. 3 IntErbRVG zeigt – nach § 724 ZPO. Da die Bescheinigung ebenso wie die Vollstreckungsklausel die Funktion hat, Bestand und Vollstreckbarkeit des Titels zu dokumentieren, regelt § 27 Abs. 1 IntErbRVG die Zuständigkeit für die Erteilung der Bescheinigung entsprechend der für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung11. Nach § 27 Abs. 2 Satz 3 IntErbRVG gelten auch für die Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung die Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Erteilung der Vollstreckungsklausel entsprechend. Die Ansicht des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts, in dieser Regelung fehle anders als in § 27 Abs. 3 IntErbRVG ein ausdrücklicher Verweis auf ein anderes anzuwendendes Gesetz, ist schon deshalb nicht zutreffend, weil sich die Anfechtbarkeit nach § 27 Abs. 2 Satz 3 IntErbRVG – wie hier gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO und § 11 RPflG – aus mehreren Gesetzen ergeben kann.

Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der den Bundesgerichtshof bindenden Zulassung durch das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig.

Die Rechtsbeschwerde ist nach zutreffender Ansicht der Beschwerdebegründung auch unbeschränkt zugelassen worden. Soweit das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zur Zulassung ausgeführt hat, dass die Bestimmung des richtigen Rechtsmittels nach nationalem Recht grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf den gesetzlichen Richter habe und das Interesse an einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordere, weil die nationalen Gerichte die Frage der Erteilung einer Bescheinigung nach Formblatt 1 unterschiedlich handhaben, liegen darin lediglich Begründungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde12.

Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat ohne Rechtsfehler ein Recht der Notarin auf Erteilung einer Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) EuErbVO verneint.

Ein solches Recht ergibt sich nicht aus der EuErbVO.

Die einheitliche Anwendung des Unionsrechts und der Gleichheitssatz verlangen, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Vorschrift, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedsstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union autonom und einheitlich auszulegen sind, wobei diese Auslegung unter Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts der Bestimmung, sondern auch ihres Regelungszusammenhangs und des mit ihr verfolgten Zwecks zu erfolgen hat13.

Nach diesem Maßstab sprechen bereits der Wortlaut und die Systematik der EuErbVO gegen ein Antragsrecht der Notarin.

Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend erkennt, folgt ein Antragsrecht nicht aus Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) EuErbVO. Soweit danach einem Antrag eine Bescheinigung, die von dem Gericht oder der zuständigen Behörde des Ursprungsmitgliedsstaats unter Verwendung des Formblatts ausgestellt wurde, beizufügen ist, regelt dies nicht das Recht auf Erteilung dieser Bescheinigung selbst.

Ein Antragsrecht ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei dem Antrag nach Art. 46 EuErbVO gemäß der Verweisung in Art. 39 Abs. 2 EuErbVO auf das Verfahren nach den Art. 45 bis 58 EuErbVO um den Antrag einer Partei handelt, welche die Anerkennung einer in einem Mitgliedsstaat ergangenen Entscheidung in einem anderen Mitgliedsstaat geltend macht. Die Notarin begehrt keine Anerkennung des Erbscheins in Polen durch ein Gericht oder eine andere nach Art. 45 Abs. 1 EuErbVO zuständige Behörde. Soweit sie geltend macht, sie entscheide gemäß Art. 39 Abs. 3 EuErbVO selbst inzident über die Anerkennung, kommt es nicht darauf an, ob überhaupt ein „Rechtsstreit“ im Sinne dieser Regelung vorliegt und die Notarin, wie die Rechtsbeschwerde vorträgt, in diesem Zusammenhang als „Gericht“ tätig wird. Jedenfalls muss die Anerkennung, über welche die Notarin entscheiden würde, auf Antrag eines Notarin des jeweiligen Verfahrens auf Anerkennung der Entscheidung oder Erteilung der Vollstreckbarerklärung gestellt werden, das heißt von einer dritten Person, nicht aber auf einen im eigenen Namen gestellten Antrag der über das Anerkennungsverfahren entscheidenden Stelle (vgl. Art. 39 Abs. 3 EuErbVO; vgl. auch OLG Köln ErbR 2022, 509 unter – II 10]).

Da hier schon kein Verfahren gemäß Art. 45 bis 58 EuErbVO vorliegt, kann sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch kein Antragsrecht der Notarin aus dem nach Art. 46 Abs. 1 EuErbVO für das Verfahren der Antragstellung maßgebenden Recht des Vollstreckungsmitgliedsstaates, das heißt hier dem polnischen Recht, ergeben. Zudem wäre gemäß Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) EuErbVO nur die Beifügung des vom Gericht oder der zuständigen Behörde des Ursprungsmitgliedsstaates ausgestellten Formblatts Bestandteil dieses Verfahrens, nicht aber die Ausstellung dieses Formblatts selbst.

Ein Recht der Notarin auf Erteilung der beantragten Bescheinigung folgt für den Bundesgerichtshof auch weder aus Art. 66 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO noch aus Art. 66 Abs. 5 EuErbVO.

Offenbleiben kann im Streitfall, ob die Durchführung eines Verfahrens zur Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses überhaupt ein Recht auf Erteilung einer Bescheinigung nach Art. 1 Abs. 1, Anhang 1 DurchführungsVO begründet. Jedenfalls ergibt sich weder aus Art. 66 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO noch aus Art. 66 Abs. 5 EuErbVO ein eigenes Recht der Notarin auf Erteilung der beantragten Bescheinigung.

Gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 1 EuErbVO überprüft die Ausstellungsbehörde, das heißt hier die Notarin, von Amts wegen die für die Überprüfung der vom Antragsteller des Europäischen Nachlasszeugnisses übermittelten Angaben, Erklärungen, Schriftstücke und sonstigen Nachweise und führt nach Art. 66 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO die erforderlichen Nachforschungen durch, soweit ihr eigenes Recht dies vorsieht oder zulässt, oder fordert den Antragsteller auf, weitere Nachweise vorzulegen, die sie für erforderlich erachtet. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde handelt es sich bei der beantragten Bescheinigung nicht um einen Nachweis zum Erbrecht der Erblasserin, deren Erteilung die Notarin aufgrund ihres Rechts zur Nachforschung von Amts wegen fordern könnte. Selbst wenn unter „Nachforschung“ bei weiter Auslegung des Wortlauts der Vorschrift auch das Recht auf Erteilung einer Bescheinigung zu verstehen wäre, verwendet die EuErbVO diesen Begriff nicht in diesem Sinne. Art. 47 EuErbVO regelt die Folgen der Nichtvorlage einer Bescheinigung – nach Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) EuErbVO – im Einzelnen. Gemäß Art. 47 Abs. 1 EuErbVO kann das Gericht oder die sonst befugte Stelle nicht selbst die Erteilung einer Bescheinigung verlangen, sondern lediglich eine Frist bestimmen, innerhalb derer die Bescheinigung vorzulegen ist. Es ist nicht ersichtlich, dass der Notarin trotz dieser ausdrücklichen gegenteiligen Regelung nach Art. 66 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO weitergehende Befugnisse zustehen sollen, und zwar sogar gegenüber dem Gericht des Ursprungsmitgliedsstaates. Dagegen spricht insbesondere auch, dass die Rechte der Ausstellungsbehörde gegenüber den zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedsstaates nach Art. 66 EuErbVO explizit in dessen Abs. 5 geregelt sind.

Ob ein Antragsrecht der Notarin aus Art. 66 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO auch deshalb zu verneinen ist, weil sie – wie das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht angenommen hat – nicht dargetan hat, dass ihr das polnische Recht entsprechende Nachforschungen auferlegt, bedarf keiner Entscheidung.

Gemäß Art. 66 Abs. 5 EuErbVO stellt die zuständige Behörde eines Mitgliedsstaates der Ausstellungsbehörde eines anderen Mitgliedsstaates „für die Zwecke dieses Artikels“ auf Ersuchen, soweit sie innerstaatlich hierzu befugt ist, die Angaben zur Verfügung, die insbesondere im Grundbuch, in Personenstandsregistern und in Registern enthalten sind, in denen Urkunden oder Tatsachen erfasst werden, die unter anderem für die Rechtsnachfolge von Todes wegen erheblich sind. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, folgt aus der nur beispielhaften Aufzählung in dieser Regelung („insbesondere“) ebenfalls kein eigenes Antragsrecht der Notarin. Auch in dieser Vorschrift wird der Begriff „Bescheinigung“ anders als in sonstigen Artikeln der EuErbVO nicht ausdrücklich verwendet. Erneut ist – wie schon im Hinblick auf Art. 66 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO – nicht ersichtlich, warum der Notarin mehr Rechte in Bezug auf die Vorlage einer Bescheinigung zustehen sollen als nach Art. 47 Abs. 1 EuErbVO vorgesehen. Jedenfalls hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht die beantragte Bescheinigung zu Recht schon nicht als vom Wortlaut der Regelung umfasst angesehen. Die Bescheinigung als solche ist keine Angabe, „die insbesondere im Grundbuch, in Personenstandsregistern und in Registern enthalten“ ist (vgl. Art. 66 Abs. 5 EuErbVO). Während sich der von ihr gemäß Art. 1 Abs. 1, Anhang 1 DurchführungsVO umfasste Inhalt zudem auf ein konkretes Verfahren, nach Ansicht der Rechtsbeschwerde hier eine Entscheidung nach Art. 39 Abs. 1 EuErbVO bezieht, ist dieses bei den Angaben in einem Grundbuch, in Personenstandsregistern und Registern sowie vergleichbaren Quellen nicht der Fall. Diese ermöglichen erst die Durchführung eines Verfahrens, hier das der Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses.

Darauf, ob der Antrag auf Erteilung der Bescheinigung im Übrigen – wie es das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht gemeint hat – nicht beim Nachlassgericht, sondern bei der Gerichtsverwaltung zu stellen gewesen wäre, weil die Notarin Amtshilfe in Anspruch habe nehmen wollen, kommt es im Streitfall nicht an.

Der mit den Vorschriften über die Erteilung einer Bescheinigung über eine Entscheidung in einer Erbsache gemäß Art. 1 Abs. 1, Anhang 1 DurchführungsVO verfolgte Zweck spricht ebenfalls gegen ein Antragsrecht der Notarin. Ziel der EuErbVO, darunter auch der Regelungen über die gegenseitige Anerkennung ergangener Entscheidungen in Erbsachen, ist es, Hindernisse für den freien Verkehr von Personen, denen die Durchsetzung ihrer Rechte im Zusammenhang mit einem Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug Schwierigkeiten bereitet, auszuräumen. Den Bürgern soll es in einem europäischen Rechtsraum möglich sein, ihren Nachlass im Voraus zu regeln. Die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer sowie der anderen Personen, die dem Erblasser nahestehen, und der Nachlassgläubiger sollen effektiv gewahrt werden14. Für eine zügige, unkomplizierte und effiziente Abwicklung einer Erbsache sollen Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter in der Lage sein, ihren Status und/oder ihre Rechte und Befugnisse in einem anderen Mitgliedstaat einfach nachzuweisen15.

Die Notarin zählt nicht zu dem genannten Personenkreis und verfolgt keine eigenen Rechte im Zusammenhang mit dem Ableben der Erblasserin. Selbst wenn angenommen wird, dass die Durchführung eines Verfahrens auf Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses ein Recht auf Erteilung einer Bescheinigung nach Art. 1 Abs. 1, Anhang 1 DurchführungsVO begründet, wäre eine zügige und unkomplizierte Abwicklung der Erbsache auch dadurch möglich, dass die nach Art. 65 Abs. 1 EuErbVO in Verbindung mit Art. 63 Abs. 1 EuErbVO zum Antrag eines Europäischen Nachlasszeugnisses berechtigte Person zugleich die Erteilung dieser Bescheinigung beantragt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgt ein Antragsrecht auch nicht aus Erwägungsgrund 21 Satz 1 EuErbVO. Soweit es danach allen für Erbsachen in den Mitgliedsstaaten zuständigen Notaren ermöglicht werden soll, diese Zuständigkeit auszuüben, ergibt sich daraus keine Aussage zu ihren Befugnissen, sondern – wie die Erwägungsgründe 20 bis 22 EuErbVO zeigen – nur zu ihrer Zuständigkeit und Bindung an die Zuständigkeitsregeln der EuErbVO.

Der Bundesgerichtshof hat keine Veranlassung, den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Es liegt ein sogenannter „acte clair“ vor, der eine Vorlagepflicht ausschließt16. Dass die Notarin jedenfalls selbst nicht die beantragte Erteilung einer Bescheinigung verlangen kann, ist derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt.

Nach zutreffender Ansicht des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts folgt ein Antragsrecht der Notarin schließlich auch nicht aus deutschem Recht, insbesondere § 27 IntErbRVG. Diese Vorschrift regelt die Berechtigung zu einem Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) EuErbVO nicht. Ob das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht im Hinblick auf § 28 IntErbRVG zutreffend davon ausgegangen ist, dass auch der Antrag nach § 27 IntErbRVG nur durch eine Partei des Ausgangsverfahrens gestellt werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. Den Regelungen zum Europäischen Nachlasszeugnis in §§ 33 bis 44 IntErbRVG lässt sich ebenfalls kein Antragsrecht der Notarin entnehmen.

Da das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei ein eigenes Antragsrecht der Notarin abgelehnt hat, konnte es offenlassen, ob es sich bei dem vom Nachlassgericht erteilten Erbschein um eine Entscheidung gemäß Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) EuErbVO, Art. 1 Abs. 1, Anhang 1 DurchführungsVO handelt.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. März 2023 – IV ZB 20/22

  1. ABl. L 201 S. 107
  2. ABl. L 359 S. 30
  3. AG Eutin, Beschluss vom 11.03.2021 – 62 – VI 657/19
  4. OLG Schleswig, Beschluss vom 01.08.2022 – 3 Wx 22/21
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 14.09.2022 – IV ZB 34/21, ErbR 2023, 38 Rn. 13 m.w.N.
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 28.02.2018 – XII ZR 87/17, NJW-RR 2018, 451 Rn. 13 m.w.N.
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 14.09.2022 – IV ZB 34/21, ErbR 2023, 38 Rn. 14 m.w.N.
  8. vgl. OLG Köln ErbR 2022, 509 unter – II 6]; MünchKomm-FamFG/Rauscher, 3. Aufl. § 27 IntErbRVG Rn. 3; Dutta/Weber/Dutta, Internationales Erbrecht 2. Aufl. § 27 IntErbRVG Rn. 2; wohl auch Gierl in Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch, Internationales Erbrecht 3. Aufl. § 2 Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Titel (§§ 3 bis 30 IntErbRVG) Rn. 151; a.A. Hüßtege/Mansel/Makowsky, BGB, Rom-Verordnungen – EuErbVO-HUP 3. Aufl. § 27 IntErbRVG Rn. 4: „Beschwerde“
  9. vgl. OLG Köln aaO; MünchKomm-FamFG/Rauscher, 3. Aufl. aaO; Dutta/Weber/Dutta, Internationales Erbrecht 2. Aufl. aaO
  10. vgl. BGH, Beschluss vom 18.06.2020 – IX ZB 46/18, NJW-RR 2020, 934 Rn. 9; OLG Köln aaO
  11. vgl. BT-Drs. 18/4201, S. 46
  12. vgl. BGH, Urteil vom 31.03.2021 – IV ZR 221/19, BGHZ 229, 266 Rn.19
  13. EuGH, Urteil vom 23.05.2019, WB, C658/17, EU:C:2019:444, ZEV 2019, 647 Rn. 50 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 24.02.2021 – IV ZR 33/20, ZEV 2021, 313 Rn. 18
  14. vgl. Erwägungsgründe 7, 8 und 59 EuErbVO
  15. vgl. Erwägungsgrund 67 EuErbVO; EuGH, Urteil vom 16.07.2020, C80/19, EU:C:2020:569, ErbR 2020, 710 Rn. 35
  16. vgl. EuGH, Urteil vom 06.10.1982, CILFIT, C283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16; BGH, Urteil vom 30.11.2022 – IV ZR 143/21, VersR 2023, 178 Rn. 24 m.w.N.; BGH, Urteil vom 24.02.2021 – VIII ZR 36/20, BGHZ 229, 59 Rn. 22 m.w.N.; BVerfG NJW 2022, 2828 Rn. 13