Notarielle Beurkundung – und der für die Stadt handelnde vollmachtlose Vertreter

Soweit die Richtlinien der Notarkammer für die Amtspflichten und sonstigen Pflichten ihrer Mitglieder vorsehen, dass eine systematische Beurkundung mit vollmachtlosen Vertretern in der Regel unzulässig ist, kann dies nicht als ein über die gesetzliche Regelung des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG hinausgehendes Verbot verstanden werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Gestaltung des Beurkundungsverfahrens, soweit der Schutzzweck des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG, die Verbesserung des Verbraucherschutzes durch die notarielle Verfahrensgestaltung, betroffen ist. Insoweit verbleibt es bei dem bereits in der gesetzlichen Regelung des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG angelegten grundsätzlichen Verbot, Verbraucher durch einen vollmachtlosen Vertreter, der keine Vertrauensperson ist, vertreten zu lassen. 

Der Notar hat sein Amt getreu seinem Eid zu verwalten. Er hat nicht eine Partei zu vertreten, sondern die Beteiligten unabhängig und unparteiisch zu betreuen (§ 14 Abs. 1 BNotO). Der Achtung und des Vertrauens, die dem notariellen Amt entgegengebracht werden, hat sich der Notar durch sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Amtes würdig zu zeigen. Er hat jedes Verhalten zu vermeiden, das den Anschein eines Verstoßes gegen seine Amtspflichten erzeugt, insbesondere durch den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit (§ 14 Abs. 3 BNotO). Im Beurkundungsverfahren soll der Notar den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben. Dabei soll er darauf achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden (§ 17 Abs. 1 BeurkG). Das Beurkundungsverfahren ist entsprechend zu gestalten, weshalb der Notar bei Verbraucherverträgen darauf hinwirken soll, dass die rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Verbrauchers von diesem persönlich oder durch eine Vertrauensperson vor dem Notar abgegeben werden (vgl. § 17 Abs. 2a Satz 1, Satz 2 Nr. 1 BeurkG).

Nach den – die gesetzlichen Pflichten freilich lediglich konkretisierenden1 Richtlinien für die Amtspflichten und sonstigen Pflichten der Mitglieder der für die hier klagende Notarin zuständigen Westfälischen Notarkammer vom 09.06.19992 hat der Notar das Beurkundungsverfahren so zu gestalten, dass die vom Gesetz mit dem Beurkundungserfordernis erfolgten Zwecke erreicht werden, insbesondere die Schutz- und Belehrungsfunktion der Beurkundung gewahrt und der Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit vermieden wird. In der Regel unzulässig ist die systematische Beurkundung mit vollmachtlosen Vertretern3. Diese weit formulierte Bestimmung kann indessen nicht als ein über die gesetzliche Regelung hinausgehendes Verbot verstanden werden4. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Gestaltung des Beurkundungsverfahrens, soweit der Schutzzweck des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG, die Verbesserung des Verbraucherschutzes durch die notarielle Verfahrensgestaltung, betroffen ist. Insoweit verbleibt es bei dem bereits in der gesetzlichen Regelung des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG angelegten grundsätzlichen Verbot, Verbraucher durch einen vollmachtlosen Vertreter, der keine Vertrauensperson ist, vertreten zu lassen.

Dementsprechend ist die Regelung nach einer Stellungnahme der Westfälischen Notarkammer dergestalt auszulegen, dass es unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der belehrungsbedürftigen Beteiligten auch zukünftig geschäftserfahrenen Beteiligten, die nicht belehrungsbedürftig seien, nicht verwehrt sei, sich auch systematisch vollmachtlos vertreten zu lassen. Zu beachten sei allerdings auch die Verhandlungsfunktion der Beurkundung, sodass es sinnvoll sein dürfte, dass beispielsweise eine Kommune durch eine Person vertreten werde, die Sachkenntnis habe, sodass Einzelheiten des Vertrages während der Beurkundung verhandelt werden könnten. Solle für den belehrungsbedürftigeren Vertragspartner im Einzelfall ein vollmachtloser Vertreter auftreten, dürfte es sich anbieten, zuvor einen Vertragsentwurf zu versenden und die Vertragsparteien aufzufordern, Änderungswünsche mitzuteilen5

Nach diesen Grundsätzen ist es unter den Umständen des vorliegenden Einzelfalles nicht zu beanstanden, dass das erstinstanzlich mit der vorliegenden Klage befasste Oberlandesgericht Köln6 die von der Notarin in sechs Fällen vorgenommene Beurkundung unter Einsatz einer eigenen Mitarbeiterin als vollmachtloser Vertreterin der Stadt Rheine nicht als Dienstvergehen gewertet hat. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass bei den in Rede stehenden Verträgen die Stadt, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, beteiligt war. Im Einzelnen:

Gegen die ihr gegenüber der Stadt Rheine obliegende Schutzpflicht hat die Notarin nicht verstoßen. Die Stadt hat ihre vollmachtlose Vertretung durch einen Mitarbeiter der Notarin selbst beantragt und im Vorfeld des Beurkundungstermins jeweils einen Vertragsentwurf zur Prüfung erhalten. Im Unterschied zum schutzbedürftigen Verbraucher (vgl. § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG)7 ist sie als geschäftserfahrene Kommune in der Regel nicht belehrungsbedürftig8

Unter den Umständen des Streitfalles im Ergebnis nicht maßgeblich beeinträchtigt war auch die Verhandlungsfunktion der konkreten Beurkundungsverfahren. Zwar ist es grundsätzlich sinnvoll, dass sich auch eine Kommune im Beurkundungstermin durch eine Person vertreten lässt, die Sachkenntnis hat, sodass Einzelheiten des Vertrages während der Beurkundung verhandelt werden können9 und dem anwesenden Vertragspartner der Kommune nicht nur die Wahl bleibt, den Vertrag so zu akzeptieren, wie er vorbereitet war, oder den Vertrag jedenfalls in diesem Termin nicht abzuschließen10. Doch schließt dies nicht aus, im Einzelfall eine Beurkundung auch unter Einsatz eines vollmachtlosen Vertreters vorzunehmen, wenn der Verhandlungsfunktion im Vorfeld hinreichend Rechnung getragen und der Sachverhalt geklärt wurde. Hiervon ist unter den Umständen des Streitfalles auszugehen, da den Vertragsparteien in allen – insgesamt lediglich sechs – Fällen zuvor mindestens ein Vertragsentwurf, in einem Fall sogar vier Vertragsentwürfe zur Prüfung zugeleitet wurden.

Zu Recht hat das Oberlandesgericht Köln in diesem Zusammenhang zudem darauf hingewiesen, dass auch ein Vertreter der Stadt größeren Änderungen am zuvor vereinbarten Vertragstext im Regelfall aufgrund der internen Weisungen ohne vorherige Rücksprache mit den zuständigen Gremien nicht zustimmen könne, sodass auch bei Anwesenheit eines Vertreters der Stadt bei entsprechendem Änderungsbedarf nur die Anberaumung eines neuen Beurkundungstermins bleibe. Insofern unterscheiden sich die Entscheidungsstrukturen der öffentlichen Hand regelhaft maßgeblich von denen einer privaten geschäftserfahrenen Vertragspartei wie etwa einem Bauträgerunternehmen.

Schließlich hat die Notarin in den konkreten Beurkundungsvorgängen nicht dadurch den Anschein der Abhängigkeit von oder der Parteilichkeit zugunsten der Stadt Rheine erweckt, dass sie dieser planmäßig ihre eigenen Mitarbeiter als vollmachtlose Vertreter zur Verfügung gestellt und damit eine kostenlose Serviceleistung erbracht habe. Dieser Vorwurf erscheint angesichts der absoluten Zahl der fraglichen Beurkundungsvorgänge – sechs über einen Zeitraum von rund 18 Monaten – fernliegend. Im Übrigen hatte die Stadt die Bestimmung des beurkundenden Notars in allen Fällen ihren Vertragspartnern überlassen, sodass die Beauftragung der Notarin nicht etwa von einem durch eine „kostenlose Serviceleistung“ erkauften Wohlwollen der Stadt, sondern von der Auswahlentscheidung von deren Vertragspartnern abhing. Hieran ändert der Umstand nichts, dass – mit einer Ausnahme – auch die anderen in der Stadt Rheine ansässigen Notare dieser ihre Mitarbeiter als vollmachtlose Vertreter zur Verfügung stellen. 

Auf die vom Oberlandesgericht bejahte Frage, ob eine Amtspflichtverletzung der Notarin auch deshalb ausscheidet, weil die fraglichen Beurkundungen in die Zeit der Corona-Pandemie fielen und die Beurkundung mit Mitarbeitern der Notarin als vollmachtlose Vertreter der Stadt der wünschenswerten Reduzierung sozialer Kontakte dienten, kommt es hiernach nicht mehr an.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 8. Juli 2024 – NotSt(Brfg) 3/23

  1. vgl. BGH, Beschlüsse vom 20.07.2015 – NotSt(Brfg) 3/15, NJW-RR 2016, 442 Rn. 15; und vom 11.05.2009 – NotZ(Brfg) 17/08, NJW-RR 2009, 1419 Rn. 14
  2. KammerReport der Westfälischen Notarkammer vom 23.06.2000; und vom 12.12.2000, zuletzt geändert durch Beschluss der Kammerversammlung vom 19.04.2023, KammerReport Ausgabe 3/2023 vom 13.06.2023
  3. II. 1.a der Richtlinien
  4. vgl. BGH, Beschlüsse vom 20.07.2015; und vom 11.05.2009 jew. aaO
  5. vgl. KammerReport der Westfälischen Notarkammer vom 15.09.2000, S. 39
  6. OLG Köln, Urteil vom 11.10.2023 – 36 Not 6/23
  7. BT-Drs. 14/9266, S. 50 f.
  8. vgl. Brambring, DNotI-Report 1998, 184, 185; Winkler, BeurkG, 21. Aufl., § 17 Rn. 39; ders., MittBayNot 1999, 2, 15; Frenz in Frenz/Miermeister, BNotO, 5. Aufl., § 17 BeurkG Rn. 33; Weingärtner/Wöstmann, Richtlinienempfehlungen BNotK/Richtlinien der Notarkammern, 2004, S.199; vgl. auch Vollhardt, Sonderbeilage zu MittBayNot Heft 4/1999, S. 7, 11, zu der entsprechenden Bestimmung in der Richtlinie der Landesnotarkammer Bayern
  9. vgl. KammerReport der Westfälischen Notarkammer aaO; vgl. auch Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 8. Aufl., § 14 Rn. 217; Hagen, RNotZ 2001, 40 f.
  10. vgl. Strauß in BeckOK BNotO, Stand 1.02.2024, RLEmBNotK – II Rn. 42