Auslegungsprobleme bei der Verwahranweisung an einen Notar

Der Notar ist nicht berechtigt, ein nicht zweifelfreies Verständnis vom Inhalt einer Verwahrungsanweisung seinem Handeln zugrunde zu legen, ohne mit der Treugeberin ein Einvernehmen herbeigeführt zu haben.

Die Formulierung im dritten Spiegelstrich der Hinterlegungsanweisung der Treugeberin, dass dem Notar “keine sonstigen Umstände bekannt geworden sind, die der Eintragung unserer Grundschuld/en im vorstehend verlangten Rang entgegenstehen”, lässt sich zwar auch so verstehen, dass nur bei Auftreten nachträglicher Belastungen – wie z.B. der Eintragung einer Zwangssicherungshypothek oder des Beitritts weiterer Gläubiger zur Zwangsversteigerung – es nicht ausreichend sei, dass dem Notar sämtliche Unterlagen zur Bereitstellung der Grundschuld im ersten Rang zur Verfügung stehen. Jedoch durfte der Notar den Inhalt der Verwahrungsanweisung nicht durch seine eigene Auslegung bestimmen.

Er hätte vielmehr entsprechend den Regelungen in § 17 BeurkG, § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO bei der Treugeberin nachfragen und eine Anpassung der Treuhandauflagen der kaufpreisfinanzierenden I. AG erwirken müssen.

Nicht der Notar, sondern allein die kreditgewährende Bank hatte zu entscheiden, ob sie bei Kenntnis des Risikos vor der Aufhebung der Beschlagnahme den Notar anweist, über den von ihr finanzierten Teil des Kaufpreises zu verfügen, da andernfalls die dem Treugeber zustehende Entscheidungskompetenz in die Hände des Notars gelegt würde.

Die ihm günstige Auslegung der Verwendungsauflagen durch den Notar ist außerdem nicht vereinbar mit den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen, wonach bei der Verwahrung fremden Vermögens in besonderem Maße Korrektheit und wegen des ansonsten drohenden Haftungsrisikos ein streng an dem Inhalt der Verwahrungsanweisung ausgerichtetes Handeln des Notars gefordert ist.

Der Notar ist nicht berechtigt, seine Pflichten bei der Abwicklung der Verwahrung durch eine eigene Auslegung des Inhalts der Verwahrungsanweisung zu bestimmen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. März 2015 – NotSt(Brfg) 2/14