Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht des Notars

Für die Erteilung der Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 18 Abs. 2, 2. Halbs. BNotO genügt es, wenn durch den Todesfall das Interesse des oder der Urkundsbeteiligten an einer weiteren Geheimhaltung entfallen ist1.

Die weitere in dem Beschluss des Bundesgerichtshofs für Notarsachen des Bundesgerichtshofs vom 10.03.20032 genannte Voraussetzung für die Erteilung der Befreiung (dass „der verstorbene Beteiligte, wenn er noch lebte, bei verständiger Würdigung der Sachlage die Befreiung erteilen würde“) ist, wie sich aus der Formulierung des Beschlusses „unabhängig hiervon“ ergibt, entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Köln3 lediglich eine Alternative und muss daher nicht kumulativ zu der erstgenannten Voraussetzung hinzutreten.

So auch in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall: Mit seinem Tod ist das Interesse des Vaters an der Geheimhaltung seines letzten Willens, soweit er insbesondere mit der Erbeinsetzung den hier klagenden Sohn als gesetzlichen Erben betrifft, entfallen. Nichts anderes gilt für das diesbezügliche also auf die letztwillige Verfügung ihres Ehemannes bezogene Geheimhaltungsinteresse der vorverstorbenen zweiten Ehefrau. Für die Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht kommt es damit entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Köln4 nicht zusätzlich darauf an, ob der Sohn seinen Manipulationsverdacht überzeugend begründet hat und ob sein Vater und dessen zweite Ehefrau als Urkundsbeteiligte auf einen solchen Verdacht hin Einsicht in die Urkundensammlung des Notars gestattet hätten.

Für die Hilfsbegründung des angefochtenen Urteils, dass sich der Notar auch nach der Erteilung der Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht durch die Aufsichtsbehörde gemäß § 18 Abs. 2 BNotO weigern würde, dem Sohn Einsicht in die im Notariat befindliche Abschrift des Testaments zu geben, fehlt es an einer tragfähigen Grundlage. Dass eine diesbezügliche Bereitschaft oder rechtliche Verpflichtung des Notars bereits feststeht, ist weder für die Zulässigkeit noch für die Begründetheit der Klage auf Verpflichtung der Aufsichtsbehörde zur Befreiung des Notars von der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 18 Abs. 2, 2. Halbs. BNotO erforderlich. Im Rahmen dieser Regelung ist nur über die auf einen bestimmten tatsächlichen Vorgang bezogene Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht zu entscheiden, aber nicht (auch nicht nur mittelbar) darüber, ob überhaupt und wie der bei einer stattgebenden Entscheidung von seiner Verschwiegenheitspflicht entbundene Notar dem Antragsteller die erstrebte Information zu verschaffen hat5. Der Sohn kann demnach allerdings auch nicht, wie in seinem Klageantrag formuliert, die Befreiung des Notars von der notariellen Schweigepflicht „zwecks Einsichtnahme“ in das notarielle Testament verlangen, sondern allenfalls Befreiung des Notars von der Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich des Inhalts der den Sohn betreffenden letztwilligen Verfügung des Vaters des Sohns, wie er sich aus der beim Notar befindlichen Abschrift des notariellen Testaments ergibt.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18. November 2019 – NotZ (Brfg) 1/19

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 10.03.2003 NotZ 23/02, DNotZ 2003, 780, 781 22
  2. BGH, aaO
  3. OLG Köln, Urteil vom 26.11.2018 – 2 VA (Not) 8/18
  4. OLG Köln, aaO
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 10.03.2003 – NotZ 23/02, DNotZ 2003, 780, 782 24