Der unwirksame Vertrag zum Pflichtteilsverzicht
Mit der (ergänzenden) Auslegung eines wegen Verstoßes gegen § 2347 Satz 1 Halbsatz 1 BGB (= 2347 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BGB a.F.) unwirksamen Pflichtteilsverzichtsvertrages als Vereinbarung unter künftigen gesetzlichen Erben über den Pflichtteil gemäß § 311b Abs. 5 BGB hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:
Dem zugrunde lag eine Schadensersatzklage gegen einen Notar wegen einer Amtspflichtverletzung. Der verwitwete Vater der hier klagenden Erbin setzte diese in einem notariellen Testament vom 14.12.2005 als Hofes- und Alleinerbin ein. Er war Eigentümer eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks, bei dem es sich um einen Hof im Sinne der Höfeordnung handelt. Am 6.02.2006 beurkundete der Notar eine als Pflichtteilsverzichtsvertrag bezeichnete Vereinbarung zwischen dem Erblasser („Beteiligter zu 1.“), seiner weiteren Tochter („Erschienene zu 2.“) und der Erbin („Erschienene zu 3.“). Darin hieß es unter anderem:
§ 1
Die Erschienene zu 2. verzichtet gegenüber dem Beteiligten zu 1. für sich und ihre Abkömmlinge […] auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht und ihre Pflichtteilsergänzungsansprüche. Der Beteiligte zu 1. nimmt diesen Verzicht an. […]
§ 4 […]
- Die Erschienene zu 2. erklärt sich hinsichtlich des hier bezeichneten Hofes für abgefunden und verzichtet endgültig und unwiderruflich auf die Geltendmachung weitergehender Abfindungsansprüche gemäß § 12 der Höfeordnung aus Anlass der notariellen Erbeinsetzung meiner Schwester […]. […]
- Zum Zwecke der Abfindung für die hofes- und hofesfreien Ansprüche verpflichtet sich die Erschienene zu 3. an die Erschienene zu 2. einen Betrag in Höhe von 30.000, 00 EURO […] zu zahlen. […] Ich, die Erschienene zu 2. erkläre mich damit einverstanden, dass dieser Betrag für meinen etwaigen Nachabfindungsanspruch gemäß § 13 HöfeO anzurechnen ist.
- Der vorbezeichnete Verzicht erstreckt sich unter der nachfolgenden Maßgabe auch auf Ergänzungsabfindungsansprüche gemäß § 13 Höfeordnung, über dessen Inhalt ich ausführlich belehrt wurde. […]
- Der vorbezeichnete Verzicht richtet sich an die Beteiligten zu 1. und 3.
- Die Beteiligten zu 1. und 3. erklären hiermit jeder für sich die Annahme vorstehender Verzichtserklärung.
[…]
Bei der Beurkundung war der Erblasser nicht anwesend, sondern wurde durch eine Mitarbeiterin des Notars vollmachtlos vertreten. Der Erblasser erteilte dazu später seine Genehmigung mit vom Notar beglaubigter Unterschrift. Der Betrag von 30.000 € wurde 2006 an die Schwester der Erbin gezahlt. Der Erblasser verstarb am 14.09.2020. Danach forderte die Schwester der Erbin diese unter Hinweis auf eine Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichtsvertrages auf, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. Die Erbin verlangte erfolglos vom Notar, sie von den Pflichtteilsansprüchen freizustellen, und zahlte einen Abschlag von 100.000 € an ihre Schwester.
Mit ihrer am 7.12.2021 erhobenen Klage hat die Erbin die Feststellung verlangt, dass der Notar ihr den Schaden zu ersetzen habe, der daraus entstehe, dass der von ihrer Schwester in der Urkunde des Notars erklärte Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsverzicht, die Abfindungserklärung hinsichtlich § 12 Höfeordnung und die Erklärung hinsichtlich § 13 Höfeordnung unwirksam seien.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Münster hat die Klage abgewiesen1. Auf die Berufung der Erbin hat das Oberlandesgericht Hamm der Klage stattgegeben2. Das Oberlandesgericht Hamm ist der Ansicht, dass der Notar gegenüber der Erbin die sich aus § 17 Abs. 1 BeurkG ergebenden Amtspflichten dadurch fahrlässig verletzt hat, dass er bei der Beurkundung die Vorschrift des § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. – ab dem 1.01.2023 § 2347 Satz 1 BGB – übersehen und eine Beurkundung unter Beteiligung eines vollmachtlosen Vertreters vorgenommen hat. Dies führe zur Nichtigkeit des erbrechtlichen Verfügungsgeschäftes. Die Verzichtsvereinbarung in § 4 Nr. 1 und Nr. 3 des Vertrages sei ebenfalls unwirksam; dies folge jedenfalls aus § 139 BGB. Die Erbin gehöre zum Kreis der durch die notariellen Amtspflichten geschützten Personen und habe hinreichend dargetan, dass ihr aufgrund der Pflichtverletzung ein kausaler Vermögensschaden entstanden sei. Dieser bestehe darin, dass sie aufgrund der Unwirksamkeit der Verzichtserklärungen Pflichtteilsansprüchen und Ansprüchen aus der Höfeordnung ausgesetzt sei, welche die bereits gezahlten 30.000 € bei weitem überstiegen. Der Schaden entfalle auch nicht deswegen, weil die Erbin gegen ihre Schwester einen schuldrechtlichen Anspruch darauf hätte, auf die Geltendmachung ihrer erbrechtlichen Ansprüche zu verzichten. Sofern ein Kausalgeschäft einen solchen Anspruch begründet hätte, wäre seine Erfüllung mit dem Tod des Erblassers unmöglich geworden. Die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist sei nicht abgelaufen gewesen, als die Erbin ihre Klage erhoben habe. Der Schadensersatzanspruch sei nicht vor dem Tode des Erblassers entstanden, weil sie zuvor keinen Schaden erlitten habe. Der Erblasser sei nicht in seiner Testierfreiheit beschränkt gewesen und hätte eine andere Person als Alleinerbin einsetzen können.
Die hiergegen gerichtete Revision des Notars hat der Bundesgerichtshof als unbegründet zurückgewiesen:
Zutreffend ist das Oberlandesgericht Hamm davon ausgegangen, dass dem Notar ein fahrlässiger Beurkundungsfehler unterlaufen ist, indem er entgegen § 2347 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BGB a.F. – jetzt § 2347 Satz 1 Halbsatz 1 BGB – einen Pflichtteilsverzicht mit dem nicht persönlich anwesenden Erblasser beurkundete. Eine Genehmigung der Erklärung der vollmachtlosen Vertreterin durch den Erblasser war nicht möglich; auch eine spätere Annahme des unter Anwesenden abgegebenen Vertragsangebots der Verzichtenden war ausgeschlossen3. Die daraus folgende Nichtigkeit des Pflichtteilsverzichtsvertrages zwischen dem Erblasser und der Schwester der Erbin als abstraktes erbrechtliches Verfügungsgeschäft4 nimmt auch die Revision hin. Die verletzte Amtspflicht, bei der Beurkundung des Pflichtteilsverzichtsvertrages die gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen zu beachten, bestand bereits deswegen auch gegenüber der Erbin, da sie vom Pflichtteilsverzicht begünstigt war5.
Zu Recht hat das Oberlandesgericht Hamm weiter angenommen, dass der Erbin durch die Amtspflichtverletzung des Notars ein Schaden entstanden ist, für den sie auch nicht anderweitig Ersatz erlangen kann. Zur Beantwortung der Frage, welchen Schaden eine Amtspflichtverletzung zur Folge hat, ist in den Blick zu nehmen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten und wie die Vermögenslage des Betroffenen sein würde, wenn der Notar die Pflichtverletzung nicht begangen hätte6. Das Oberlandesgericht Hamm ist in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Notar bei pflichtgemäßem Verhalten einen formwirksamen Pflichtteilsverzicht entweder zu einem späteren Zeitpunkt mit dem persönlich anwesenden Erblasser oder durch Trennung des Angebots unter Abwesenden von der Annahme beurkundet hätte. Beim Erbfall wäre dann kein Pflichtteilsanspruch der Schwester entstanden. Im Vergleich dazu stellt sich die Vermögenslage der Erbin ohne eine wirksame Beurkundung des Pflichtteilsverzichtsvertrages zwischen ihrer Schwester und dem Erblasser schlechter dar.
Ein ererbter Anspruch gegen ihre Schwester auf Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrages im Sinne von § 2346 Abs. 2 BGB, welcher der Erbin dieselbe Vermögenslage verschaffen könnte wie durch die Beurkundung beabsichtigt, steht der Erbin nicht zu. Das Oberlandesgericht Hamm ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Pflichtteilsverzicht inzwischen nicht mehr zustande kommen kann. Dahingestellt bleiben kann, ob das Erfordernis des persönlichen Geschäftsabschlusses durch den Erblasser, das beim Verfügungsgeschäft des Pflichtteilsverzichts zu beachten ist, auch für die Eingehung einer Verpflichtung zum Pflichtteilsverzicht gilt7. Die Erfüllung einer zu Lebzeiten mit dem Erblasser vereinbarten Verpflichtung zum Pflichtteilsverzicht wäre mit dessen Tod unmöglich geworden. Mit dem Tod des Erblassers bestand kein Pflichtteilsrecht mehr, auf das die Schwester der Erbin hätte verzichten können8. Vielmehr hatte diese dann bereits einen Anspruch auf ihren Pflichtteil. Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsanspruch sind in verschiedener Hinsicht voneinander zu unterscheiden9. Deshalb ist der Geschäftsgegenstand des Erlasses eines Pflichtteilsanspruchs ein ganz anderer als der des Pflichtteilsverzichts gemäß § 2346 Abs. 2 BGB10. Der Pflichtteilsverzicht gemäß § 2346 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das seinem Gegenstand und seiner Eigenart nach nur mit dem Erblasser zu dessen Lebzeiten abgeschlossen werden kann11, und erfasst daher allein das Pflichtteilsrecht12.
Das Oberlandesgericht Hamm hat es auch nicht rechtsfehlerhaft unterlassen, zu prüfen, ob der Vertragsurkunde kein Erbschaftsvertrag im Sinne von § 311b Abs. 5 BGB zwischen der Erbin und ihrer Schwester zu entnehmen ist, der in seinen Rechtsfolgen dem (unwirksam) vereinbarten Pflichtteilsverzicht gegenüber dem Erblasser entsprochen und daher zu einer identischen Vermögenslage der Erbin geführt hätte. Der Schaden entfällt nicht deswegen, weil die Erbin einen schuldrechtlichen Anspruch gegen ihre Schwester hätte, ihr nach dem Erbfall den entstandenen Pflichtteilsanspruch zu erlassen.
Eine – allenfalls in Betracht kommende – ergänzende Auslegung darf nicht zu einer unzulässigen Erweiterung des Vertragsgegenstands über die rechtlichen Beziehungen hinaus führen, die die Parteien regeln wollten13. Wie oben dargelegt, unterscheidet sich der Pflichtteilsverzicht hinsichtlich seines Geschäftsgegenstands und dessen wirtschaftlicher Bedeutung so wesentlich vom Erlass eines Pflichtteilsanspruchs, dass eine Auslegung oder Umdeutung des Angebots auf einen Pflichtteilsverzicht in ein Angebot auf Erlass eines Pflichtteilsanspruchs im Allgemeinen nicht in Betracht kommt14.
Für eine – grundsätzlich denkbare15 – schuldrechtliche Vereinbarung zwischen der Erbin und ihrer Schwester, in der sich Letztere verpflichtet hätte, nach dem Erbfall keinen Pflichtteilsanspruch hinsichtlich des hoffreien Vermögens geltend zu machen, ist in den Tatsacheninstanzen nichts vorgetragen worden. Der Notar hat dort nicht behauptet, dass die Urkundsbeteiligten bei Vertragsschluss einverständlich von einer solchen Vereinbarung ausgegangen wären. Ausdrückliche Erwägungen dazu in den Gründen des Berufungsurteils waren daher nicht erforderlich.
Aus dem Urkundenwortlaut ist – auch mangels weiterer vorgetragener Anhaltspunkte – nicht zwingend darauf zu schließen, dass die Schwester der Erbin für den Fall, dass sie gegenüber dem Erblasser nicht wirksam auf ihr Pflichtteilsrecht verzichtet hat, stattdessen einen Erbschaftsvertrag mit der Erbin schließen wollte, in dem sie sich dazu verpflichtet, den mit dem Erbfall entstehenden Pflichtteilsanspruch hinsichtlich des hoffreien Vermögens zu erlassen. Ein solcher formbedürftiger Erbschaftsvertrag nach § 311b Abs. 5 BGB hätte in der notariellen Urkunde eindeutig zum Ausdruck kommen müssen. Die Urkunde sieht aber allein für die nach der Höfeordnung zu bemessenden Pflichtteilsansprüche in § 4 eine Verzichtsvereinbarung zwischen der Erbin und ihrer Schwester vor, während in § 1 für das Pflichtteilsrecht, das die Vertragsparteien nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Hamm dort nur auf das hoffreie Vermögen beziehen wollten, allein zwischen dem Erblasser und der Schwester ein Vertrag geschlossen wird. Daher hätten die Parteien des Pflichtteilsverzichts diesen auch ohne Beteiligung der Erbin wieder aufheben können. Es hätte eines weitergehenden Ausdrucks in der Urkunde bedurft, um anzunehmen, dass die Schwester auch eine Vereinbarung mit einem anderen Vertragspartner (der Erbin) über ein anderes Recht (den erst mit dem Erbfall entstehenden Pflichtteilsanspruch), das zu einem anderen Zeitpunkt (nach dem Erbfall) erlassen werden soll, hatte schließen wollen. Dafür genügt allein der Umstand, dass sich die Erbin in § 4 Nr. 2 der Urkunde verpflichtet hat, an ihre Schwester zur Abfindung der hofes- und hofesfreien Ansprüche 30.000 € zu zahlen, nicht. Aus den vorgenannten Gründen kommt entgegen der Auffassung der Revision auch eine Umdeutung des Pflichtteilsverzichtsvertrages zwischen dem Erblasser und der Schwester in eine Vereinbarung nach § 311b Abs. 5 BGB zwischen der Erbin und ihrer Schwester nicht in Betracht.
Da keine andere Vereinbarung anstelle des unwirksamen Pflichtteilsverzichts in § 1 der Urkunde geschlossen wurde, ist auch die Annahme des Oberlandesgerichts Hamm nicht zu beanstanden, dass der Vertrag insgesamt, einschließlich der Abfindungsvereinbarung zwischen der Erbin und ihrer Schwester über die Ansprüche aus der Höfeordnung in § 4, nichtig war und auch daraus folgende Schäden zu ersetzen sind.
Ein Vertrag kann gemäß § 139 BGB nur dann aufrecht erhalten bleiben, wenn festgestellt werden kann, dass er auch ohne den nichtigen Teil im Übrigen zu denselben Bedingungen, insbesondere mit derselben Gegenleistung, abgeschlossen worden wäre16. Ob ein in diesem Sinne einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt, hat im Einzelfall der Tatrichter zu entscheiden17. Dazu hat das Oberlandesgericht Hamm rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die in § 4 Nr. 2 vorgesehene einheitliche Abfindungszahlung für den Verzicht auf den Pflichtteil aus dem Hofvermögen und dem hofesfreien Vermögen eine untrennbare Verbindung zwischen dem Pflichtteilsverzicht in § 1 und dem Rest des Vertrages schafft. Eine isolierte Aufrechterhaltung des in § 4 gegenüber der Erbin erklärten Verzichts auf Ansprüche aus der Höfeordnung hätte bereits mangels Vereinbarung einer nur auf diesen Teil bezogenen Abfindungszahlung nicht dem Willen der Parteien entsprochen.
Das Oberlandesgericht Hamm hat ferner zu Recht entschieden, dass der Schadensersatzanspruch bei der Klageerhebung im Jahr 2021 nicht verjährt war. Sowohl die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB als auch die kenntnisunabhängige Verjährungsfrist von zehn Jahren gemäß § 199 Abs. 4 BGB, die hier nach § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO anwendbar sind, beginnen nicht vor der Entstehung des Anspruchs zu laufen. Der Anspruch der Erbin entstand jedoch erst mit dem Erbfall am 14.09.2020, da zu diesem Zeitpunkt der Vermögensschaden in Gestalt eines um den Pflichtteilsanspruch ihrer Schwester geminderten Erbes eintrat.
Zutreffend ist das Oberlandesgericht Hamm davon ausgegangen, dass der Vermögensschaden der Erbin nicht bereits mit der fehlerhaften Beurkundung des Pflichtteilsverzichtsvertrages entstanden ist. Ein Schaden ist eingetreten, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen objektiv verschlechtert hat, ohne dass bereits feststehen muss, ob dieser Nachteil bestehen bleibt und der Schaden damit endgültig wird. Ist ein Vermögensverlust dagegen noch offen, wird die Verjährungsfrist nicht in Lauf gesetzt18.
Nach diesen Grundsätzen ist der Erbin erst mit dem Erbfall ein Schaden entstanden. Die Nichtigkeit des Pflichtteilsverzichts und der daraus folgende Fortbestand des Pflichtteilsrechts ihrer Schwester konnte vor dem Erbfall ihr Vermögen nicht mindern. Bis dahin stand ihr keine Vermögensposition zu, die durch das bestehende Pflichtteilsrecht beeinträchtigt werden konnte. Der zukünftige Testamentserbe hat – von hier nicht gegebenen Besonderheiten beim gemeinschaftlichen Testament abgesehen keine gesicherte Rechtsstellung, weil der Erblasser jederzeit anders testieren kann19. Auch eine ohne das Testament bestehende Stellung als gesetzliche Erbin hätte durch eine andere Verfügung des Erblassers entfallen können.
Das Oberlandesgericht Hamm hat auch im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Verjährungsfrist nicht bereits zu laufen begann, als die Schwester der Erbin nach der Beurkundung 2006 die vereinbarte Zahlung von 30.000 € erhielt. Hat eine einzige, in sich abgeschlossene Verletzungshandlung mehrere Schadensfolgen ausgelöst, so kann allerdings die Verjährungsfrist nach dem Grundsatz der Schadenseinheit auch für nachträglich auftretende, zunächst also nur drohende, aber nicht unvorhersehbare Folgen beginnen, sobald irgendein (Teil-)Schaden schon entstanden ist20. Ein (Teil-)Schaden ist der Erbin jedoch 2006 bereits deswegen nicht entstanden, weil nicht festgestellt ist, dass sie selbst diese Zahlung aus ihrem Vermögen geleistet hätte. Etwas anderes kann auch dem wechselnden Vortrag des Notars nicht entnommen werden, der zunächst übereinstimmend mit der Erbin vorgetragen hat, der Erblasser habe diese Zahlung erbracht, um dann ohne Tatsachengrundlage das, was die Schwester der Erbin erhalten habe, als Zahlung der Erbin zu bezeichnen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. November 2024 – IV ZR 263/23
- LG Münster, Urteil vom 16.09.2022 – 202 O 1126/21↩
- OLG Hamm, Urteil vom 12.07.2023 – I-11 U 148/22, ZEV 2023, 684↩
- vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1995 – IX ZR 242/94, ZEV 1996, 228 24]↩
- vgl. BGH, Urteil vom 07.12.2011 – IV ZR 16/11, ZEV 2012, 145 Rn. 14↩
- vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1995 aaO 20]↩
- BGH, Urteil vom 10.07.2008 – III ZR 292/07, WM 2008, 1753 Rn. 14 m.w.N.↩
- offenlassend für den Erbverzicht: BGH, Urteil vom 04.07.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319, 328 28 f.]↩
- vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1996 – IV ZR 62/96, BGHZ 134, 60, 64 15]↩
- vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1996 aaO↩
- vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1996 aaO S. 65 15]↩
- vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1996 aaO S. 65 16]↩
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.10.2023 – IV ZB 26/22, ZEV 2023, 828 Rn. 13↩
- vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1996 – IV ZR 62/96, BGHZ 134, 60, 65 17]↩
- BGH, Urteil vom 13.11.1996 aaO↩
- vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1996 – IV ZR 62/96, BGHZ 134, 60, 66 18]↩
- vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2016 – IV ZR 7/15, VersR 2017, 240 Rn. 36 m.w.N↩
- vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2016 aaO Rn. 28 m.w.N.↩
- BGH, Urteil vom 22.01.2004 – III ZR 99/03, VersR 2005, 1695 13] m.w.N.↩
- vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1995 – IX ZR 242/94, ZEV 1996, 228 14]↩
- BGH, Urteil vom 15.10.1992 – IX ZR 43/92, VersR 1993, 1358 35] m.w.N.↩